D a s   L i b e r a l e   T a g e b u c h

Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de

 

 

 

 

Hermann Otto Solms


Finanzpolitische Zwischenbilanz der schwarz-roten Koalition ist ernüchternd


28. August 2006

 

Lebenslüge von Schwarz-Rot

 

Die schwarz-rote Koalition gibt sich einer neuen Lebenslüge hin: Sie will nicht zur Kenntnis nehmen, daß der gegenwärtige Aufschwung ein Erfolg angebotsorientierter Politik ist. Gerade jetzt, wo die Früchte einer vernünftigen Angebotspolitik zu reifen beginnen und Deutschland endlich wieder einmal einigermaßen passable Wachstumsraten aufzuweisen hat, vollzieht Schwarz-Rot eine vollständige Abwendung von wachstumsorientierter Finanzpolitik. Die noch von Rot-Grün verantwortete und von der FDP unterstützte Senkung der Einkommen- und Körperschaftsteuer, die Zinspolitik der EZB und die moderate Lohnpolitik der Tarifparteien haben in den letzten Jahren die Angebotsbedingungen für Investitionen und Beschäftigung verbessert und den entscheidenden Beitrag zum Wirtschaftswachstum geleistet. Jetzt geht Schwarz-Rot auf Gegenkurs. Hauptverantwortlicher der Kehrtwendung ist Finanzminister Peer Steinbrück. Seine Politik der ständigen Steuererhöhungen wird den Konsum und die Investitionen d! ämpfen und sich negativ auf die angesprungene Konjunktur auswirken. Das wird Deutschland den Aufschwung in den nächsten Jahren kosten.

 

Im Jahr 2006 ist von einem realen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von gut 2 Prozent auszugehen. Für das Jahr 2007 jedoch erwartet die Bundesregierung nur ein reales Wachstum von 1 Prozent. Die Bundesregierung hat somit zu verantworten, daß es durch die verschiedenen steuerpolitischen Maßnahmen zu einem regelrechten Konjunktureinbruch kommen wird. Dieser Konjunktureinbruch läßt die wirtschaftliche Erholung erstarren und nimmt jegliche wirtschaftliche Dynamik. Ziel einer vernünftigen Politik muß es sein, zu einem selbsttragenden Aufschwung zu gelangen und die gerade erst begonnene Erholung am Arbeitsmarkt nicht abzuwürgen.

 

Der Finanzminister hat nicht begriffen, daß gerade die öffentliche Finanzpolitik gesamtwirtschaftliche Verantwortung trägt und maßgeblich für ein beschäftigungsförderndes Wachstum ist. Dieser Verantwortung wird Bundesfinanzminister Steinbrück nicht gerecht, er versagt auf ganzer Linie. Seine Behauptung, Bund, Länder und Gemeinden hätten einzig und allein ein Einnahmeproblem, wird auch durch die ständige Wiederholung nicht richtig.

 

Steuererhöhungen ersetzen kein Steuerkonzept

 

Mit einer Erhöhung der Abgabenlast fährt Bundesfinanzminister Steinbrück hingegen den Kurs eines ökonomischen und finanzpolitischen Harakiris. Die umfangreichen Steuererhöhungen stehen in krassem Widerspruch zu den Wahlaussagen beider Koalitionspartner. Beispiele sind

 

  • die Verschlechterungen bei der Pendlerpauschale
  • keine Abzugsfähigkeit der Kosten für das Arbeitszimmer
  • keine Abzugsfähigkeit von Steuerberatungskosten
  • die Erhöhung von Mehrwertsteuer
  • die Erhöhung der Versicherungsteuer
  • die Erhöhung der Einkommensteuer (Reichensteuer)

 

Die Finanzpolitik der Großen Koalition führt allein in 2007 zu Mehrbelastungen der Bürger und Unternehmen von mehr als 27 Milliarden Euro. Konzeptionelle Ansätze in der schwarz-roten Steuerpolitik fehlen völlig. So ist die Ausgestaltung der vor den Wahlen angekündigten Unternehmensteuerreform, die durch Senkung der Steuerbelastung den Ansprüchen an eine international wettbewerbsfähige Unternehmensbesteuerung gerecht wird, noch immer völlig unklar. Die ebenfalls vollmundig angekündigte Steuervereinfachung bleibt völlig auf der Strecke. Neuester Beleg dafür ist der Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2007 mit einem Umfang von 125 DIN-A4-Seiten. Unverändert wird weiter „herumgeregelt“ – ohne Rücksicht auf die betroffenen Steuerzahler.

 

Mehrwertsteuererhöhung zurücknehmen

 

Mit der guten Konjunktur des Jahres 2006 im Rücken, die zu steigenden Steuereinnahmen und sinkender Arbeitslosigkeit führt, besteht ausreichender Spielraum, die Mehrwertsteuererhöhung zurückzunehmen. Dies wäre ökonomisch sinnvoll, konjunkturpolitisch geboten und haushaltspolitisch vertretbar. Die aktuellen Zahlen können dieses belegen:

 

Im ersten Halbjahr haben Bund und Länder gemeinsam von 7,5 Prozent Steuermehreinnahmen profitiert, beim Bund selbst stiegen die Steuereinnahmen sogar um 9,4 Prozent. Bezogen auf das Jahr 2005 mit gesamtstaatlichen Steuereinnahmen in Höhe von 452,1 Milliarden Euro hat die Mai-Steuerschätzung für das Jahr 2006 eine Steigerung von 3 Prozent bei einem Steueraufkommen von 465,5 Milliarden Euro unterstellt. Schreibt man die bisher erzielte Steigerungsrate von 7,5 Prozent fort, so könnten die gesamtstaatlichen Steuereinnahmen bei 486 Milliarden Euro liegen. Damit lägen die Steuereinnahmen des Staates um 20,5 Milliarden Euro über der Steuerschätzerprognose. Das Aufkommen aus der beschlossenen Mehrwertsteuererhöhung wird demgegenüber für das Jahr 2007 mit 19,4 Milliarden Euro ausgewiesen. Bereits die Steuermehreinnahmen des Jahres 2006 übersteigen also die in Folge der Mehrwertsteuererhöhung eingeplanten Mehreinnahmen. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist nicht nur kontraproduktiv, so! ndern überflüssig.

 

Beiträge zur Arbeitslosenversicherung stärker senken

 

Auch bei der Verwendung etwaiger Überschüsse der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Höhe von 8,8 bis 9,6 Milliarden Euro zeigt sich Bundesfinanzminister Steinbrück als reiner Etatist, indem er die Überschüsse der BA zur Reduzierung der Neuverschuldung im Bundeshaushalt verwenden möchte. Dieses Ansinnen ist ökonomisch widersinnig und ein Affront gegenüber den Beitragszahlern. Für die FDP steht fest, daß die Überschüsse an die Beitragszahler zurückgegeben werden und zu einer stärkeren Entlastung der Arbeitslosenversicherung genutzt werden müssen. Statt der bisher geplanten 2 Prozentpunkte könnten die Beiträge um mindestens 2,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Der Faktor Arbeit könnte weiter entlastet werden und zu weiterer wirtschaftlicher Stimulans führen.