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s L i b e r a l e T a g e b u c h
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Sammlung Originaldokumente aus
„Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Aufruf zur Gründung einer neuen Linken Das Liberale
Tagebuch: Die
Kommentierung dieses Textes finden Sie unter Vorgestellt von Lothar Bisky, Vorsitzender der
Linkspartei.PDS, Katja Kipping, stellvertretende Parteivorsitzende, den
Geschäftsführenden Bundesvorständen der WASG Klaus Ernst und Felicitas Weck
den Vorsitzenden der Bundestagsfraktion DIE LINKE Gregor Gysi und Oskar
Lafontaine am 2. Juni 2006 in Berlin Am Beginn des 21. Jahrhunderts sind die Völker der Welt näher
zusammengerückt. Satellitenfernsehen, Internet, internationaler Flugverkehr
und die Entwicklungen auf dem Gebiet der Atomtechnik, der Biologie und der
Chemie vermitteln in
bisher nicht gekanntem Ausmaß die Erfahrung, dass alle Menschen ein gemeinsames
Schicksal verbindet. Die Abhängigkeiten nehmen zu. Umweltschäden in einem
Land haben ebenso schädliche Auswirkungen in den Nachbarländern. Die
nationalen Volkswirtschaften verschmelzen miteinander und immer neue Erfindungen führen zu einer gewaltigen Steigerung der Produktivkräfte.
In weniger als einem Jahrzehnt hat sich das Weltsozialprodukt verdoppelt und
der Welthandel verdreifacht. Der Energieverbrauch wächst in atemberaubendem Tempo. Während die Industriestaaten einen immer größeren Reichtum
anhäufen, sterben Tag für Tag hunderttausend
Menschen, weil sie zu wenig zu essen haben. Alle zehn Sekunden verhungert ein
Kind, obwohl nach Angaben der Welternährungsorganisation FAO zwölf Milliarden
Menschen satt werden könnten. Hunger und Unterernährung sind das Ergebnis einer barbarischen
Weltwirtschaftsordnung. Der Kapitalismus ist auf seine ständige Expansion
angewiesen. Er erobert Absatzmärkte und Rohstoffquellen, auch mit
militärischer Gewalt. Ob Afghanistan oder Tschetschenien, Irak oder Iran,
Syrien oder Saudi-Arabien, es
geht nicht um
Freiheit und Demokratie, sondern um die Öl- und Gasvorräte des vorderen
Orients und der Anrainerstaaten des Kaspischen Meeres. Im rücksichtslosen Kampf um Macht und Einflusssphären
missachten vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika die Menschenrechte
und die Genfer Konventionen. Sie schieben das internationale Recht zur Seite
und kündigen die Norm des Völkerrechts, die jeden Angriffskrieg verbietet. Nach der neuen Doktrin haben
Staaten, die vorgeben, sich bedroht zu fühlen, das Recht, andere anzugreifen.
Dieser Raubtierkapitalismus führt in weiten Teilen der Welt zu bitterer Armut und zum
Terrorismus. Die USA bekämpfen diesen Terrorismus mit völkerrechtswidrigen
Kriegen, in denen viele tausende unschuldiger Menschen ums Leben kommen. Sie
setzen die Spirale der Gewalt fort und erzeugen dadurch immer wieder neue
Bereitschaft zum Terrorismus. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist eine
Gesellschaftsordnung gescheitert, in die viele Menschen große Hoffnungen
gesetzt hatten. Im Bestreben, allen ihren Bürgerinnen und Bürgern
Lebenschancen und Arbeit zu geben und den Wohlstand gerecht zu verteilen,
missachteten die osteuropäischen Staaten und die Sowjetunion die beiden
großen Maximen Rosa Luxemburgs: "Freiheit ist immer die Freiheit der
Andersdenkenden." "Keinen Sozialismus ohne Demokratie und keine
Demokratie ohne Sozialismus." Die im Vergleich zu den westlichen Ländern
deutlich schlechtere ökonomische Ausgangslage und das wenig effektive
Wirtschaftssystem zwangen die staatssozialistischen Länder sich im Westen
stark zu verschulden, um den Lebensstandard ihrer Bevölkerungen zu heben.
Trotz unbestreitbarer Fortschritte bei der Herstellung sozialer Gleichheit,
der Überwindung von Bildungsprivilegien und der Gleichstellung der Frau
erstarrten sie zu Systemen bürokratischer Bevormundung, fielen wirtschaftlich
zurück und verloren in zunehmendem Maße die Unterstützung ihrer Bürgerinnen
und Bürger. Das Scheitern dieser Versuche, eine sozialistische
Gesellschaft zu errichten, die Verbrechen des Stalinismus und das Unrecht der
Einparteiendiktaturen entbinden die Linke nicht von der Verantwortung, einen
neuen Anlauf zu machen, um die Barbarei der kapitalistischen Gesellschaft zu
überwinden. Freiheit und soziale Sicherheit, Demokratie und Sozialismus
bedingen einander. In einer demokratisch-sozialistischen Gesellschaft ist die
Freiheit des anderen nicht die Grenze, sondern die Bedingung der eigenen
Freiheit. Auch der Mensch ist nicht frei, der seine Mitmenschen unterdrückt
und ausbeutet. Der Menschheitstraum von einer Weltgesellschaft der Freien
und Gleichen lebt. In Südamerika kommen sozialistische Präsidentinnen und
Präsidenten an die Macht. Sie wollen die Nutzung der Rohstoffe ihrer Länder nicht länger internationalen
Konzernen überlassen. Sie setzen auf die Demokratie und eine gerechtere
Gesellschaft. In Europa übernahmen am Ende des 20. Jahrhunderts
sozialistische und sozialdemokratische Parteien Regierungsverantwortung. Sie
waren aber zu schwach, sich dem immer ungehemmter agierenden Kapitalismus in den Weg zu stellen. Vielmehr unterwarfen sie sich willfährig den multinationalen Konzernen und den
Imperativen der internationalen Finanzmärkte. Deregulierung, Privatisierung,
Abbau von Demokratie, Steuersenkungen für Konzerne und Reiche und Kürzungen
sozialer Leistungen waren die neuen Heilsbotschaften. Der Neoliberalismus,
ursprünglich nur eine Wirtschaftstheorie, wurde zur Ersatzreligion. Er korrumpiert die Sprache und damit
auch das Denken. Die neoliberalen Ideologen sprechen vom Umbau des
Sozialstaates und meinen seinen Abbau. Sie reden von zukunftsweisenden
Reformen und meinen die Kürzung sozialer Leistungen. Der Kündigungsschutz
wird verwässert, die Tarifverträge werden durchlöchert und die Einrichtungen
der öffentlichen Daseinsvorsorge werden verkauft. Zunehmend mehr Menschen
arbeiten in ungesicherten, schlecht bezahlten Jobs, in denen sie schamlos
ausgebeutet oder zur Selbstausbeutung gezwungen werden. Die sozialen
Sicherungssysteme, die den Menschen Schutz und soziale Rechte geben sollen,
werden privatisiert. Höhepunkt dieser Entwicklung in Deutschland sind die von
CDU/CSU, SPD, FDP und Grünen beschlossenen Hartz-Gesetze und die Agenda 2010. Die Arbeitswelt befindet sich im Wandel. Durch den Anstieg
der Produktivität werden immer mehr Dienstleistungen und Produkte von immer
weniger Beschäftigten bereitgestellt. Dieser Fortschritt sollte allen zu gute
kommen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Bei Erwerbstätigen wachsen Stress
und Arbeitszeit. Erwerblose werden unter Druck gesetzt und ausgegrenzt. Der
Arbeitsmarkt wird flexibilisiert und den Beschäftigten eine extreme Mobilität
abverlangt. Befristete Arbeitsverträge, Arbeitszeiten rund um die Uhr und
immer längere Wege zum Arbeitsplatz zerstören das Familien- und
Gemeinschaftsleben. Die mit der Deregulierung und Flexibilisierung
einhergehende Auflösung sozialer Bindungen und Lebenswelten verändert die
Menschen und setzt bei ihnen zerstörerische Potenziale frei. Millionen
Menschen sind arbeitslos und haben das Gefühl, von der Gesellschaft nicht
mehr gebraucht zu werden. Während die Konzerngewinne und die
Vermögenseinkommen immer neue Rekorde brechen, sinken die Löhne.
Arbeitslosengeld und Renten. werden gekürzt. Im Zuge
dieser Entwicklung geht die Wahlbeteiligung zurück und rechte Parteien haben
Zulauf. Die neoliberal gewendete Sozialdemokratische Partei Deutschlands
verliert Mitglieder und Wählerinnen und Wähler. Sie, die einst für Frieden
und soziale Gerechtigkeit stand, befürwortet ebenso wie CDU/CSU, FDP und
Grüne völkerrechtswidrige Kriege, eine niedrige Staatsquote und ständige
Einschnitte ins soziale Netz. Zu fragen ist, ob dies
die Resultate liberaler Politik oder die Resultate sozialistischer Strategie
der Verelndung sind. Der Zeitpunkt ist gekommen, die versprengten Kräfte der
Linken zu sammeln. Die aus der SED hervorgegangene PDS hat sich verändert.
Sie hat viele neue Mitglieder gewonnen und ist zu einer demokratischen
sozialistischen Partei geworden. Diesen Veränderungen entspricht ihr neuer
Name: Linkspartei. Die WASG wurde vor allem von enttäuschten
Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern, Sozialdemokratinnen und
Sozialdemokraten sowie Vertreterinnen und Vertretern sozialer Bewegungen
gegründet. Über vier Millionen Wählerinnen und Wähler gaben Linkspartei und
WASG bei der Bundestagswahl 2005 den Auftrag, eine neue linke Partei zu
gründen. DIE LINKE versteht sich als Sammlungsbewegung von Menschen
unterschiedlicher politischer und sozialer Herkunft, die für mehr soziale
Gerechtigkeit kämpft. Sie will eine solidarische Gesellschaft, in der die
freie Entwicklung einer und eines jeden die Bedingung der freien Entwicklung
aller ist. Sie will eine offene Gesellschaft, in der die Menschen, unabhängig
von Herkunft und Hautfarbe, Religion und Staatsbürgerschaft, Geschlecht und
sexueller Orientierung die gleichen Rechte und Chancen haben. Prima. Aber auf die
sozialistische Tour? DIE LINKE will mehr Demokratie wagen und tritt für den Ausbau der Grund- und Freiheitsrechte
ein. Bürgerinnen und Bürger sollen die Möglichkeit erhalten, über
Volksbegehren und Volksentscheide an der Gestaltung ihrer Lebensbedingungen
mitzuwirken. Politisches Engagement findet seinen Ausdruck nicht nur in der
Mitgliedschaft in einer Partei, sondern auch in der Mitarbeit in einer
Nichtregierungsorganisation und in sozialen Bewegungen. DIE LINKE wird die
Forderungen der außerparlamentarischen Bewegungen aufgreifen und deren
Mitwirkung am politischen Entscheidungsprozess unterstützen. DIE LINKE will die Fehler traditioneller
kapitalismuskritischer Organisationen nicht wiederholen und sich nicht in das
globalkapitalistische System einbinden lassen. Sie stützt sich auf die
Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und die gesetzlich geregelten
staatlichen Zuschüsse. Ihre Mandatsträgerinnen und Mandatsträger sind den
demokratischen Beschlüssen der Parteigremien und den vor Wahlen gegebenen
Versprechen verpflichtet. Sie betätigen sich im Gegensatz zu den
Vertreterinnen und Vertretern anderer Parteien nicht als Lobbyisten von
Konzernen oder Wirtschaftsverbänden. DIE LINKE setzt auf das friedliche Zusammenleben der
Völker. Sie will, dass Außenpolitik Friedenspolitik ist und fordert eine
präventive Politik zur Konfliktvermeidung. Sie verurteilt imperialistische Kriege um
Absatzmärkte und
Rohstoffe und verteidigt das Recht der Völker, selbst über die Nutzung ihrer
Reichtümer verfügen zu können. Sie besteht auf der Einhaltung des
Völkerrechts und des Atomwaffensperrvertrages. So lange die Atommächte ihre
nuklearen Arsenale nicht abrüsten, werden sich andere Staaten Atomwaffen
zulegen. DIE LINKE bekennt sich zum demokratischen Sozialismus. Der
Kapitalismus ist nicht das Ende der Geschichte. Weil der Schwächere nur frei sein
kann, wenn ihn Gesetze und Regeln vor der Willkür der Stärkeren schützen,
setzt sie auf Regulierung statt auf Deregulierung. Den moralischen
Grundwerten der Gesellschaft soll auch in der Wirtschaft Geltung verschafft
werden. Gesetze und Regeln müssen sicherstellen, dass die Kapitalverwertung
dem Gemeinwohl verpflichtet ist, wie es das Grundgesetz der Bundesrepublik
Deutschland verlangt. Schlüsselbereiche
der Wirtschaft und der Daseinsvorsorge müssen in öffentliche Eigentumsformen
überführt werden und demokratischer Kontrolle unterliegen. DIE LINKE kämpft für die Gleichstellung von Männern und Frauen. Die Frauenbewegung ist eine ihrer
politischen Wurzeln. Deshalb streitet sie für soziale Sicherungssysteme, die
von einem individuellen Rechtsanspruch ausgehen. Dieser soll auch für das
Sozial-, Steuer- und Arbeitsrecht gelten. Die LINKE will die lohnpolitische
Gleichstellung der Frau. Es ist nicht hinnehmbar, dass Frauen in Deutschland
deutlich weniger Lohn erhalten. Wieviel Wurzeln hat denn
die SED? DIE LINKE will die Herstellung gleicher Lebensbedingungen
in Ost und West. Die neoliberale These, wonach sich durch niedrigere Löhne
und längere Arbeitszeiten die Arbeitslosigkeit überwinden ließe, ist durch
die Entwicklung in den ostdeutschen Ländern eindeutig widerlegt. Die
Arbeitslosigkeit war und ist in den neuen Ländern doppelt so hoch wie im
Westen. DIE LINKE tritt dafür ein, dass die Menschen in Ost und West gleich
behandelt werden bei Einkommen, sozialen Leistungen und Renten. Positive
kulturelle und soziale Erfahrungen der Ostdeutschen wie längeres gemeinsames
Lernen müssen auf ganz Deutschland übertragen werden. Blödsinn: Viel Wohlstand
nur durch viel Arbeit. Je mehr Kapital zuvor kummuliert wurde, desto
produktiver die ARbeitsstunde DIE LINKE will eine gerechtere Verteilung der
Erwerbsarbeit durch Arbeitszeitverkürzung sowie die Schaffung von
Arbeitsplätzen in gesellschaftlich sinnvollen Bereichen, vor allem im
Öffentlichen Dienst und im öffentlich geförderten Beschäftigungssektor. Sie
will eine Wirtschaftsordnung, die allen Menschen die Möglichkeit gibt, sich
am Erwerbsleben zu beteiligen. Erzwungene Arbeitslosigkeit ist ein Gewaltakt,
der oft zu Vereinsamung und Ausgrenzung führt, auch wenn es jenseits der
klassischen Erwerbsarbeit sinnvolle Tätigkeiten gibt, die wir fördern wollen.
Die Verteilung des gemeinsam erarbeiteten Reichtums soll in erster Linie die
lebendige Arbeit belohnen und nicht das tote Kapital. Eine Wirtschaftspolitik
nach dem Vorbild skandinavischer Staaten verbindet einen hohen
Beschäftigungsstand mit einem dicht geknüpften sozialen Netz.
Überdurchschnittliche Investitionen in Bildung und Forschung und in die
öffentliche Infrastruktur sowie ein leistungsfähiger öffentlicher Dienst
bilden in diesen Ländern die Grundlage für eine gute wirtschaftliche
Entwicklung und einen steigenden Wohlstand. DIE LINKE tritt für eine Finanz-
und Steuerpolitik ein, die es dem Staat ermöglicht, seinen Aufgaben
nachzukommen. Durch gerechtere Steuern und Abgaben will sie die hohen
Einkommen und die großen Vermögen an der Finanzierung der Staatsaufgaben
angemessen beteiligen. Eine fünfprozentige Besteuerung des Geldvermögens der
reichsten Deutschen brächte jährlich einhundert Milliarden Euro zusätzlich
für die öffentlichen Kassen. „gerechtere“, wie gerecht?
Logo: bei Sozialisten handelt der Staat. Zum Wohle der Funktionäre oder zum
Wohle der Menschen? Was die skandinavischen Sozialisten zu ihrem Modell wohl
sagen? Dort alles pallettti? DIE LINKE will Schluss machen mit einer Politik, die das
öffentliche Vermögen verkauft und damit die Bevölkerung enteignet. Statt der
neoliberalen Privatisierung will sie die gesellschaftliche, das heißt die
staatliche und kommunale Verantwortung für Bildung und Gesundheit, für
Wasser- und Energieversorgung, für Stadtentwicklung und Wohnungen, für
öffentlichen Nah- und Fernverkehr, sowie für wichtige Teile der Kultur.
Gewählte Repräsentanten sollen die örtliche Daseinsvorsorge gestalten. Der
Abbau von Stellen im Öffentlichen Dienst vergrößert die Arbeitslosigkeit. In
kaum einer anderen Industriegesellschaft - nicht in den USA, auch nicht in
Großbritannien und schon gar nicht in den skandinavischen Ländern - arbeiten
im Verhältnis zur Gesamtzahl der Beschäftigten so wenige Bürgerinnen und
Bürger im Öffentlichen Dienst wie in Deutschland. DIE LINKE tritt für den ökologischen Umbau der
Industriegesellschaft ein: Um die Lebensgrundlagen künftiger Generationen zu
erhalten, müssen wir nachhaltig wirtschaften und mit der Atmosphäre, dem
Wasser und der Erde verantwortungsbewusst umgehen. Gerade die führenden
Industrienationen, die am meisten zur Verschmutzung von Luft und Wasser
beitragen, sind verpflichtet, ihren Umgang mit den natürlichen Ressourcen
grundlegend zu verändern. DIE LINKE lehnt die Stromerzeugung aus Atomenergie ab. Im
internationalen Verteilungskampf um die knapper und teurer werdenden
Energieträger darf die Umwelt nicht geopfert werden. Die Probleme der
Energieversorgung nehmen zu. Energie muss für alle bezahlbar und ihre
Gewinnung umweltverträglich sein. Deshalb darf die Energiewirtschaft nicht
den Gesetzen des kapitalistischen Profitdenkens untergeordnet werden. Die
Energiepreise müssen vom Staat genehmigt werden. Umweltfreundliche
Energieträger und Technologien müssen Atomtechnik und schrittweise auch
fossile Brennstoffe ersetzen. DIE LINKE will die Wirtschaftsdemokratie. Die abhängig
Beschäftigten und ihre Gewerkschaften sollen wie in anderen europäischen
Ländern das Recht auf einen politischen Streik, den Generalstreik haben. Auch
die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmerinnen und der
Arbeitnehmer in den Unternehmen müssen erweitert werden. Über die für die Zukunft
eines Unternehmens existenziellen Entscheidungen muss die Belegschaft
abstimmen können. Die LINKE tritt für ein erneuertes Verständnis von
Solidarität zwischen Vollzeitbeschäftigten, Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmern mit ungesicherten Arbeitsverhältnissen und Erwerbslosen ein. Die kapitalistische Wirtschaftsordnung führt zur
Konzentration des Vermögens in den Händen einer Minderheit. Fünfhundert
Konzerne kontrollieren die Hälfte des Weltsozialproduktes. Die
Zusammenballung wirtschaftlicher Macht gefährdet die Demokratie. Macht, die
demokratisch nicht legitimiert ist, darf die gesellschaftlichen Verhältnisse
nicht bestimmen. DIE LINKE will das Primat der Politik. Stark konzentrierte
Wirtschaftsbereiche müssen entflochten werden. Aus diesem Grund wollen wir
die Kartellgesetzgebung verschärfen. Nur dann können Markt und Wettbewerb
ihre Wirkung entfalten und den gesellschaftlichen Wohlstand steigern. Markt
und Wettbewerb führen nicht nur zu einer effizienten Wirtschaft, sondern
ebenso zur Dezentralisierung wirtschaftlicher Entscheidungen und damit zur
Einschränkung wirtschaftlicher Macht. DIE LINKE setzt daher vorrangig auf die
Förderung der 2,9 Millionen Unternehmen, die weniger als 10 Millionen Euro
Umsatz machen, und der über eine Million Kleinbetriebe, die in Deutschland
weniger als zehn Beschäftigte haben. DIE LINKE widersetzt sich dem sozialen Kahlschlag. Sie
will den Sozialstaat
verbessern und die Systeme der sozialen Sicherheit so erneuern, dass sie den
Herausforderungen der Zukunft in einer sich verändernden Arbeitswelt
standhalten. Sie
sollen auf einer Bürgerversicherung beruhen, die durch eine Abgabe auf alle
Einkommen finanziert wird. Mit der Bürgerversicherung wird die
Alterssicherung wieder auf verlässliche Füße gestellt. Die Vermeidung von Altersarmut
der Rentnerinnen und Rentner und der Kampf gegen die immer ungleicher
werdende Einkommensverteilung im Alter stehen dabei im Mittelpunkt. Ein
gesetzlicher Mindestlohn und eine repressionsfreie soziale Grundsicherung
sollen allen ein menschenwürdiges Leben ermöglichen, auch denen, die nicht
lange genug in die Sicherungssysteme einzahlen konnten. Die Schutzrechte der
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen ausgebaut werden. Dabei orientiert
sich DIE LINKE am Leitbild eines demokratischen Sozialstaates und tritt für
soziale Mindeststandards ein, die gegen Armut schützen und die die Teilhabe
an der Demokratie ermöglichen. DIE LINKE tritt für Chancengleichheit in der Bildung ein
und wendet sich gegen jede elitäre Ausgrenzung. Von der Kindertagesstätte bis
zum Lernen als lebenslangem Prozess müssen die institutionellen, materiellen
und kulturellen Rahmenbedingungen so gestaltet werden, das alle ihre Talente
und Begabungen entwickeln und nutzen können. DIE LINKE fordert mehr Investitionen in die
frühkindliche Bildung und
das Recht auf kostenfreie Kita-Plätze und Lernstandards für
Kindertagesstätten. Sie sollen sicherstellen, dass Kinder unabhängig von
ihrer Herkunft gleiche Lernvoraussetzungen erhalten, bevor sie in die Schule
kommen. DIE LINKE setzt sich dafür ein, das dreigliedrige Schulsystem
abzuschaffen und ein integratives Gesamtschulsystem einzuführen. Dieses soll
sich in der personellen und materiellen Ausstattung wie auch in den
Lernfeldern - intellektuelles, kognitives und musisches Lernen - an dem
finnischen Bildungssystem orientieren. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür
und für die Ermöglichung der Berufstätigkeit der Eltern ist die Umstellung
von Halbtags- auf Ganztagsschulen. DIE LINKE will Informationsfreiheit. Sie wendet sich gegen jede Monopolbildung im
Bereich der Massenmedien.
Journalistische und kulturelle Vielfalt müssen durch Stärkung des
öffentlich-rechtlichen Rundfunks und den Ausbau der inneren Pressefreiheit
gefördert werden. Die Verflechtung von publizistischer und politischer Macht
stellt eine Gefährdung der Demokratie dar. Der
"Informationskapitalismus" ist keine bloße Fiktion, sondern wird
zur bedrohlichen Realität, wenn Produktion, Distribution und Speicherung von
Informationen in Monopolen konzentriert werden und das kollektive Gedächtnis
der Menschheit in Gestalt der Schrift und der Speicherung audio-visueller
Zeichen privatisiert wird. DIE LINKE will ein vereintes Europa. Ihr ist bewusst, dass
die Verwirklichung dieser Vision nur auf einer sozialstaatlichen Grundlage
gelingen kann. Das Zusammenleben der Europäerinnen und Europäer sollen
Verträge und Gesetze regeln, die den Dumping-Wettbewerb zwischen den Ländern
unterbinden, indem sie Mindeststandards für Grundrechte, Löhne, soziale
Leistungen, Steuern und Umweltschutz vorschreiben. Die Antwort auf die Europäisierung der politischen
Auseinandersetzungen und der sozialen Kämpfe ist eine europäische
Linkspartei, die die politische Alternative zum Europa der Neoliberalen
entwickelt. DIE LINKE tritt in Kommunalparlamenten und Landtagen, im
Bundestag, im Europäischen Parlament sowie in außerparlamentarischen
Bewegungen für ihre Ziele ein. Sie widersetzt sich der neoliberalen Politik
und will deren Hegemonie brechen. Dazu bedarf es einer Politik, die den
Zeitgeist verändert. Protest, Mitgestaltung und Alternativen, die über den
Kapitalismus hinausweisen, bilden in der Arbeit der Linken eine strategische
Einheit. Sie übernimmt dann Regierungsverantwortung, wenn sie die
Lebensverhältnisse der Menschen verbessern und alternative Entwicklungspfade
öffnen kann. Sie wird aber nur unter Beachtung ihrer Grundsätze Koalitionen
mit anderen Parteien eingehen. Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge
dürfen nicht privatisiert werden. Der Personalabbau in Bund, Ländern und
Gemeinden muss generell gestoppt und ebenso die Kürzung sozialer Leistungen
verhindert werden. Gegen die Übermacht des Kapitals lassen sich
demokratischer Fortschritt und die Verbesserung der Lebensverhältnisse für
eine große Mehrheit nur in einem
breiten Reformbündnis erreichen. In der ganzen Welt formiert sich Widerstand
gegen den entfesselten, neoliberalen Kapitalismus. Auch in Deutschland sind
alle, die ein friedlicheres, gerechteres, ökologischeres und sozialeres
Zusammenleben der Menschen wollen, aufgerufen, bei der Gründung der neuen
linken Partei mitzuarbeiten. Berlin, 2. Juni 2006 |