D a s   L i b e r a l e   T a g e b u c h

Sammlung Originaldokumente aus „Das Liberale Tagebuch“, http://www.dr-trier.de

 

 

Deutscher Bundestag,
Debatte zum Umweltgutachten 2004 am 21. Oktober 2004

 

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion.

 

Birgit Homburger (FDP):

 

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute in der Tat in der Kernzeit über ein umweltpolitisches Thema. So haben auch Sie, Herr Kollege Müller, am Anfang hier gesagt, man müsse die Aktivitäten in der Umweltpolitik einmal wieder in den Mittelpunkt stellen. Schön wäre es, wenn Sie das wirklich aktiv betrieben hätten. Tatsache ist doch, dass Sie die Reform des Energiewirtschaftsrechts, das heute Morgen hier in der Kernzeit hätte beraten werden sollen, nicht fertig bekommen haben. Sie haben sich dann gefragt, was zu tun wäre, und haben das Umweltgutachten 2004 auf die Tagesordnung gesetzt. Das lag nämlich vor; das haben schließlich andere geschrieben, das haben Sie nicht selber machen müssen. Das entspricht meines Erachtens nicht der Schwerpunktsetzung in der Umweltpolitik, von der Sie in Ihrer Rede gesprochen haben.

 

(Beifall bei der FDP …)

 

Ich kann nur sagen, dieses Gutachten, das über 600 Seiten umfasst, gibt wirklich eine sehr umfassende Darstellung der Umweltpolitik. Man müsste sich auch eine ganze Reihe von Dingen noch genauer anschauen, die man hier heute Morgen gar nicht so detailliert behandeln kann. Es finden sich aber auch einige Punkte wieder, die auch in der politischen Diskussion Schwerpunkte darstellen. Deshalb wäre es, Herr Kollege Müller, schon angebracht gewesen, nicht Grundsatzdiskussionen über die weltpolitische Lage zu führen, sondern zu sagen, wie Sie diese Themenfelder, die hier angesprochen wurden, politisch umsetzen und wie Sie insgesamt den Umweltschutz verbessern wollen. Das haben Sie heute Morgen versäumt.

 

Im Zusammenhang mit der Klimapolitik möchte ich Ihnen ganz klar sagen, dass es eine Gemeinsamkeit bezüglich des Ziels gibt, aber nicht über den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Deswegen sollten Sie, bevor Sie uns hier auffordern, gemeinsam etwas zu tun, zuerst einmal über Konzepte nachdenken und darüber, wie was vernünftig umgesetzt werden kann.

 

Schauen wir uns einmal an, was der Sachverständigenrat zur Zielsetzung der Umweltpolitik sagt: Er schreibt Ihnen, Herr Umweltminister Trittin, ins Stammbuch, dass das ursprünglich beschlossene nationale Ziel der Reduktion der Treibhausgasemissionen um 25 Prozent verfehlt wurde.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Sie haben alle Warnungen ungehört verhallen lassen. Wir haben Sie mehrfach aufgefordert, auf ein effizientes Instrument zurückzugreifen, nämlich den Emissionshandel. Jetzt wird es gemacht, aber nur deshalb, weil die Europäische Union es uns vorschreibt, und Sie tun es dazu noch halbherzig und bürokratisch. Herr Kollege Paziorek hat zu Recht schon auf diesen Punkt hingewiesen. Darüber hinaus verhalten Sie sich auch noch widersprüchlich: Sie führen zwar zum 1. Januar nächsten Jahres den Emissionshandel ein, der vom Instrument her eine Zielerreichung garantiert, behalten aber alle anderen ordnungsrechtlichen Instrumente von der Ökosteuer über das KWK-Gesetz bis hin zum EEG bei.

 

Das zeigt doch ganz klar: Sie wollten das Instrument nicht und vertrauen ihm nicht. Sie arbeiten mit Netz und doppeltem Boden. Das ist nicht das, was wir brauchen. Vielmehr brauchen wir effizienten Umweltschutz.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Dasselbe gilt doch auch für die Nutzung der flexiblen Instrumente des Kioto-Protokolls. Wir könnten unglaublich viel für den Klimaschutz erreichen, wenn wir endlich diese flexiblen Instrumente des Kioto-Protokolls in Deutschland zulassen würden. Das haben Sie ebenfalls versäumt. Auch die Linking Directive ist noch nicht umgesetzt. Wir handeln erst wieder aufgrund europäischer Richtlinien.

 

Es hätte uns gut getan, zuzulassen, dass auch Minderungen der Emissionen, die deutsche Firmen durch Investitionen in den Klimaschutz im Ausland erzielen, in Deutschland angerechnet werden; denn mit 1 Euro können sie im Ausland deutlich mehr erreichen als in Deutschland. Das Klima ist nun mal eine globale Erscheinung und nicht etwas, was hier in Deutschland allein zu regeln ist. Deswegen fordern wir Sie auf, solche Anrechnungsverfahren endlich auch in Deutschland zuzulassen.

 

(Beifall bei der FDP … )

 

Ich finde es schon bemerkenswert, dass die beiden Protagonisten, die Herren Trittin und Müller, es vorziehen, miteinander zu schwätzen, wie man im Süddeutschen sagt, anstatt der Debatte zu folgen. Umgekehrt erheben sie aber immer den Anspruch, dass man miteinander etwas ordentlicher umgehen sollte. Sie könnten jetzt ein Zeichen dafür setzen.

 

Herr Minister Trittin, Sie haben in Ihrer Rede bemerkenswerterweise im Zusammenhang mit dem Thema Agrardiesel den Subventionsabbau angesprochen. Dazu möchte ich Ihnen vor dem Hintergrund, dass unsere deutsche Landwirtschaft sich im internationalen Wettbewerb behaupten muss, eines sagen: In Frankreich wird gerade zu dieser Zeit die Steuer auf den Agrardiesel von 5,7 auf 2 Cent je Liter gesenkt. In Deutschland dagegen wird sie von 25 auf 40 Cent je Liter erhöht.

 

Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich: Mit dieser Maßnahme werden Sie nicht nachhaltig die klimapolitischen Ziele in Deutschland erreichen, sondern die Landwirtschaft in Deutschland weiter schwächen und kaputtmachen.

 

Um das eigene Versagen in der Klimapolitik zu vertuschen, haben Sie im Koalitionsvertrag 2002 selber ein neues Ziel proklamiert, das Sie zum Ende Ihrer Rede hier angesprochen haben; es ist bemerkenswert, dass Sie sich das nach dem Gutachten des Sachverständigenrates überhaupt noch trauen. Sie haben nämlich beschlossen, dass man, wenn die EU bereit wäre, die Treibhausgase bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 30 Prozent zu senken, in Deutschland eine Reduzierung um 40 Prozent erreichen wolle. Ich sage Ihnen einmal, was der Umweltrat dazu geschrieben hat: dass dies eine Diskreditierung eines zielorientierten Umweltpolitikansatzes und die Diskreditierung der Glaubwürdigkeit noch anspruchsvollerer Zielvorgaben sei.

 

Genau so ist es, Herr Minister Trittin. Das, was Sie hier machen, ist für mich nichts anderes als versuchte Volksverdummung. Das wird man Ihnen nicht abnehmen; ernsthafte Umweltpolitik sieht anders aus.

 

(Beifall bei der FDP …

 

Ich verstehe, dass Sie die Ratschläge der FDP ungerne hören. Vielleicht können Sie sich stattdessen die Ratschläge Ihres eigenen Sachverständigenrates anschauen, in denen sich viele unserer Positionen zur Energiepolitik, zur Abfallpolitik, zur Energiespeicherforschung, zum Lärmschutz oder auch zur Ökosteuer - auch bei der Ökosteuer ist die Linie von Rot-Grün nicht so klar übernommen - wiederfinden, die wir immer wieder vorgetragen haben. Zu all diesen Themen hat der Sachverständigenrat deutliche Hinweise gegeben.

 

Ich möchte noch etwas zu dem Schwerpunkt Energiepolitik sagen. Wenn wir den erneuerbaren Energien in Deutschland eine große Zukunftschance geben wollen, dann müssen wir auf der einen Seite den Export fördern; das täten wir über die flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls. Zum anderen sollten wir die Energiespeicherforschung voranbringen. Wenn wir es schaffen würden, Energien, die jetzt nur zeitweise zur Verfügung stehen, wie beispielsweise die Windenergie, dauerhaft zu speichern und damit grundlastfähig zu machen, dann wäre das ein großer Fortschritt im Bereich der erneuerbaren Energien.

 

Wir haben im Rahmen des Haushalts und auch mit einem eigenen Antrag die Förderung der Speichertechnologie und eine Aufstockung der Mittel dafür gefordert. Wir haben im Übrigen auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag dafür gemacht. Sie haben all diese Anträge abgelehnt. Wenn so weitergemacht wird, kommen wir nicht voran. Die technischen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden und es muss innovativ gedacht werden. Das wollen wir und das unterscheidet uns.

 

(Beifall bei der FDP …

 

Zum Thema Abfallpolitik, Herr Minister Trittin, gäbe es viel zu sagen. Die Abschaffung der Gewerbeabfallverordnung würde - da stimmt uns der Sachverständigenrat tatsächlich zu; das wird Sie nicht besonders erfreuen - umweltpolitisch keinerlei Nachteile bringen, aber einen großen Beitrag zum Bürokratieabbau leisten.

 

Was das Zwangspfand angeht, Herr Minister Trittin, kommen Sie permanent mit den alten Argumenten. Sie müssen sich endlich einmal vor Augen halten, dass im Jahr 2000 eine entscheidende Wende erfolgt ist, weil wir seither neue Ökobilanzen haben. Seither fordert die FDP eine Neuorientierung, eine einfache, bürgerfreundliche Lösung. Dem haben Sie sich die ganze Zeit störrisch widersetzt. Jetzt haben Sie eine europarechtswidrige Novelle nicht nur im Bundesrat beschließen lassen, sondern auch noch übernommen. Das ist Unsinn und bringt keine Rechtssicherheit. Wir wollen in diesem Bereich eine einfache Regelung, die vor allem Rechtssicherheit für die Betroffenen bringt. Die brauchen wir, wenn wir die Investitionen fördern wollen.

 

(Beifall bei der FDP …

 

Zusammenfassend möchte ich klarstellen, dass es in allen Bereichen, die angesprochen wurden, unter der Verantwortung von Rot-Grün mehr Bürokratie und weniger Wettbewerb gibt. Damit haben Sie aber nicht unbedingt mehr umweltpolitische Handlungsfähigkeit erreicht. Wenn Sie die umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern wollen, dann müssen Sie auch in der Umweltpolitik Wettbewerb zulassen. Dann müssen Sie auch in diesem Bereich dafür sorgen, dass effizienter gearbeitet wird, weil damit erstens die Kosten für die Arbeitsplätze reduziert werden und zweitens die Bereitschaft der Bevölkerung, Umweltpolitik zu akzeptieren, erhalten bleibt und ausgebaut wird. Das erreicht man nur mit vernünftigen Regelungen und Kostenreduktion auch im Umweltschutzbereich. Ich will ein hohes materielles Umweltschutzniveau. Wir alle, die wir auf dem Gebiet der Umweltpolitik arbeiten, wollen dies. Aber ich möchte auch, dass die Umweltpolitik effizient, wettbewerblich und vor allen Dingen unbürokratisch organisiert wird. Daran sind Sie, Herr Trittin, gescheitert. Genau darüber wird es in den nächsten zwei Jahren in diesem Parlament eine Auseinandersetzung geben.

 

(Beifall bei der FDP …