D a
s L i b e r
a l e T a g e b u c h
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Sammlung
Originaldokumente aus „Das Liberale
Tagebuch“, http://www.dr-trier.de |
Deutscher Bundestag, Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wort der Kollegin Birgit Homburger,
FDP-Fraktion. Birgit Homburger (FDP): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
sprechen heute in der Tat in der Kernzeit über ein umweltpolitisches Thema. So
haben auch Sie, Herr Kollege Müller, am Anfang hier gesagt, man müsse die
Aktivitäten in der Umweltpolitik einmal wieder in den Mittelpunkt stellen.
Schön wäre es, wenn Sie das wirklich aktiv betrieben hätten. Tatsache ist
doch, dass Sie die Reform des Energiewirtschaftsrechts, das heute Morgen hier
in der Kernzeit hätte beraten werden sollen, nicht fertig bekommen haben. Sie
haben sich dann gefragt, was zu tun wäre, und haben das Umweltgutachten 2004
auf die Tagesordnung gesetzt. Das lag nämlich vor; das haben schließlich
andere geschrieben, das haben Sie nicht selber machen müssen. Das entspricht
meines Erachtens nicht der Schwerpunktsetzung in der Umweltpolitik, von der
Sie in Ihrer Rede gesprochen haben. (Beifall bei der FDP …) Ich kann nur sagen, dieses Gutachten, das über 600 Seiten
umfasst, gibt wirklich eine sehr umfassende Darstellung der Umweltpolitik.
Man müsste sich auch eine ganze Reihe von Dingen noch genauer anschauen, die
man hier heute Morgen gar nicht so detailliert behandeln kann. Es finden sich
aber auch einige Punkte wieder, die auch in der politischen Diskussion
Schwerpunkte darstellen. Deshalb wäre es, Herr Kollege Müller, schon
angebracht gewesen, nicht Grundsatzdiskussionen über die weltpolitische Lage
zu führen, sondern zu sagen, wie Sie diese Themenfelder, die hier
angesprochen wurden, politisch umsetzen und wie Sie insgesamt den
Umweltschutz verbessern wollen. Das haben Sie heute Morgen versäumt. Im Zusammenhang mit der Klimapolitik möchte ich Ihnen ganz
klar sagen, dass es eine Gemeinsamkeit bezüglich des Ziels gibt, aber nicht
über den Weg, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Deswegen sollten Sie,
bevor Sie uns hier auffordern, gemeinsam etwas zu tun, zuerst einmal über
Konzepte nachdenken und darüber, wie was vernünftig umgesetzt werden kann. Schauen wir uns einmal an, was der Sachverständigenrat zur
Zielsetzung der Umweltpolitik sagt: Er schreibt Ihnen, Herr Umweltminister
Trittin, ins Stammbuch, dass das ursprünglich beschlossene nationale Ziel der
Reduktion der Treibhausgasemissionen um 25 Prozent verfehlt wurde. (Beifall bei der FDP … ) Sie haben alle Warnungen ungehört verhallen lassen. Wir
haben Sie mehrfach aufgefordert, auf ein effizientes Instrument
zurückzugreifen, nämlich den Emissionshandel. Jetzt wird es gemacht, aber nur
deshalb, weil die Europäische Union es uns vorschreibt, und Sie tun es dazu
noch halbherzig und bürokratisch. Herr Kollege Paziorek
hat zu Recht schon auf diesen Punkt hingewiesen. Darüber hinaus verhalten Sie
sich auch noch widersprüchlich: Sie führen zwar zum 1. Januar nächsten Jahres
den Emissionshandel ein, der vom Instrument her eine Zielerreichung
garantiert, behalten aber alle anderen ordnungsrechtlichen Instrumente von
der Ökosteuer über das KWK-Gesetz bis hin zum EEG
bei. Das zeigt doch ganz klar: Sie wollten das Instrument nicht
und vertrauen ihm nicht. Sie arbeiten mit Netz und doppeltem Boden. Das ist
nicht das, was wir brauchen. Vielmehr brauchen wir effizienten Umweltschutz. (Beifall bei der FDP … ) Dasselbe gilt doch auch für die Nutzung der flexiblen
Instrumente des Kioto-Protokolls. Wir könnten unglaublich viel für den
Klimaschutz erreichen, wenn wir endlich diese flexiblen Instrumente des
Kioto-Protokolls in Deutschland zulassen würden. Das haben Sie ebenfalls
versäumt. Auch die Linking Directive
ist noch nicht umgesetzt. Wir handeln erst wieder aufgrund europäischer
Richtlinien. Es hätte uns gut getan, zuzulassen, dass auch Minderungen
der Emissionen, die deutsche Firmen durch Investitionen in den Klimaschutz im
Ausland erzielen, in Deutschland angerechnet werden; denn mit 1 Euro können
sie im Ausland deutlich mehr erreichen als in Deutschland. Das Klima ist nun
mal eine globale Erscheinung und nicht etwas, was hier in Deutschland allein
zu regeln ist. Deswegen fordern wir Sie auf, solche Anrechnungsverfahren
endlich auch in Deutschland zuzulassen. (Beifall bei der FDP … ) Ich finde es schon bemerkenswert, dass die beiden
Protagonisten, die Herren Trittin und Müller, es vorziehen, miteinander zu
schwätzen, wie man im Süddeutschen sagt, anstatt der Debatte zu folgen.
Umgekehrt erheben sie aber immer den Anspruch, dass man miteinander etwas
ordentlicher umgehen sollte. Sie könnten jetzt ein Zeichen dafür setzen. Herr Minister Trittin, Sie haben in Ihrer Rede bemerkenswerterweise im Zusammenhang mit dem Thema
Agrardiesel den Subventionsabbau angesprochen. Dazu möchte ich Ihnen vor dem
Hintergrund, dass unsere deutsche Landwirtschaft sich im internationalen
Wettbewerb behaupten muss, eines sagen: In Frankreich wird gerade zu dieser
Zeit die Steuer auf den Agrardiesel von 5,7 auf 2 Cent je Liter gesenkt. In
Deutschland dagegen wird sie von 25 auf 40 Cent je Liter erhöht. Ich sage Ihnen ganz klar und deutlich: Mit dieser Maßnahme
werden Sie nicht nachhaltig die klimapolitischen Ziele in Deutschland
erreichen, sondern die Landwirtschaft in Deutschland weiter schwächen und
kaputtmachen. Um das eigene Versagen in der Klimapolitik zu vertuschen,
haben Sie im Koalitionsvertrag 2002 selber ein neues Ziel proklamiert, das
Sie zum Ende Ihrer Rede hier angesprochen haben; es ist bemerkenswert, dass
Sie sich das nach dem Gutachten des Sachverständigenrates überhaupt noch
trauen. Sie haben nämlich beschlossen, dass man, wenn die EU bereit wäre, die
Treibhausgase bis zum Jahr 2020 gegenüber 1990 um 30 Prozent zu senken, in
Deutschland eine Reduzierung um 40 Prozent erreichen wolle. Ich sage Ihnen
einmal, was der Umweltrat dazu geschrieben hat: dass dies eine
Diskreditierung eines zielorientierten Umweltpolitikansatzes und die Diskreditierung
der Glaubwürdigkeit noch anspruchsvollerer Zielvorgaben sei. Genau so ist es, Herr Minister Trittin. Das, was Sie hier
machen, ist für mich nichts anderes als versuchte Volksverdummung. Das wird
man Ihnen nicht abnehmen; ernsthafte Umweltpolitik sieht anders aus. (Beifall bei der FDP … Ich verstehe, dass Sie die Ratschläge der FDP ungerne hören. Vielleicht können Sie sich stattdessen die
Ratschläge Ihres eigenen Sachverständigenrates anschauen, in denen sich viele
unserer Positionen zur Energiepolitik, zur Abfallpolitik, zur
Energiespeicherforschung, zum Lärmschutz oder auch zur Ökosteuer - auch bei
der Ökosteuer ist die Linie von Rot-Grün nicht so klar übernommen -
wiederfinden, die wir immer wieder vorgetragen haben. Zu all diesen Themen
hat der Sachverständigenrat deutliche Hinweise gegeben. Ich möchte noch etwas zu dem Schwerpunkt Energiepolitik
sagen. Wenn wir den erneuerbaren Energien in Deutschland eine große
Zukunftschance geben wollen, dann müssen wir auf der einen Seite den Export
fördern; das täten wir über die flexiblen Mechanismen des Kioto-Protokolls.
Zum anderen sollten wir die Energiespeicherforschung voranbringen. Wenn wir
es schaffen würden, Energien, die jetzt nur zeitweise zur Verfügung stehen,
wie beispielsweise die Windenergie, dauerhaft zu speichern und damit
grundlastfähig zu machen, dann wäre das ein großer Fortschritt im Bereich der
erneuerbaren Energien. Wir haben im Rahmen des Haushalts und auch mit einem
eigenen Antrag die Förderung der Speichertechnologie und eine Aufstockung der
Mittel dafür gefordert. Wir haben im Übrigen auch einen
Gegenfinanzierungsvorschlag dafür gemacht. Sie haben all diese Anträge
abgelehnt. Wenn so weitergemacht wird, kommen wir nicht voran. Die
technischen Möglichkeiten müssen ausgeschöpft werden und es muss innovativ
gedacht werden. Das wollen wir und das unterscheidet uns. (Beifall bei der FDP … Zum Thema Abfallpolitik, Herr Minister Trittin, gäbe es
viel zu sagen. Die Abschaffung der Gewerbeabfallverordnung würde - da stimmt
uns der Sachverständigenrat tatsächlich zu; das wird Sie nicht besonders
erfreuen - umweltpolitisch keinerlei Nachteile bringen, aber einen großen
Beitrag zum Bürokratieabbau leisten. Was das Zwangspfand angeht, Herr Minister Trittin, kommen
Sie permanent mit den alten Argumenten. Sie müssen sich endlich einmal vor
Augen halten, dass im Jahr 2000 eine entscheidende Wende erfolgt ist, weil
wir seither neue Ökobilanzen haben. Seither fordert die FDP eine
Neuorientierung, eine einfache, bürgerfreundliche Lösung. Dem haben Sie sich
die ganze Zeit störrisch widersetzt. Jetzt haben Sie eine europarechtswidrige
Novelle nicht nur im Bundesrat beschließen lassen, sondern auch noch
übernommen. Das ist Unsinn und bringt keine Rechtssicherheit. Wir wollen in
diesem Bereich eine einfache Regelung, die vor allem Rechtssicherheit für die
Betroffenen bringt. Die brauchen wir, wenn wir die Investitionen fördern
wollen. (Beifall bei der FDP … Zusammenfassend möchte ich klarstellen, dass es in allen
Bereichen, die angesprochen wurden, unter der Verantwortung von Rot-Grün mehr
Bürokratie und weniger Wettbewerb gibt. Damit haben Sie aber nicht unbedingt
mehr umweltpolitische Handlungsfähigkeit erreicht. Wenn Sie die
umweltpolitische Handlungsfähigkeit sichern wollen, dann müssen Sie auch in
der Umweltpolitik Wettbewerb zulassen. Dann müssen Sie auch in diesem Bereich
dafür sorgen, dass effizienter gearbeitet wird, weil damit erstens die Kosten
für die Arbeitsplätze reduziert werden und zweitens die Bereitschaft der
Bevölkerung, Umweltpolitik zu akzeptieren, erhalten bleibt und ausgebaut
wird. Das erreicht man nur mit vernünftigen Regelungen und Kostenreduktion
auch im Umweltschutzbereich. Ich will ein hohes materielles
Umweltschutzniveau. Wir alle, die wir auf dem Gebiet der Umweltpolitik
arbeiten, wollen dies. Aber ich möchte auch, dass die Umweltpolitik
effizient, wettbewerblich und vor allen Dingen
unbürokratisch organisiert wird. Daran sind Sie, Herr Trittin, gescheitert.
Genau darüber wird es in den nächsten zwei Jahren in diesem Parlament eine
Auseinandersetzung geben. (Beifall bei der FDP … |